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Gedanken und Überlegungen zum Thema EINSAMKEIT.

EINSAMKEIT

Gedanken und Überlegungen zum Thema EINSAMKEIT.

18.6.21

Meiner Erfahrung nach gibt es verschiedene Erscheinungsformen von Einsamkeit. Ich habe einige davon kennengelernt, sie können in den unterschiedlichsten Lebenssituationen und Lebensaltern auftreten.

Grundsätzlich habe ich mich wohl schon als Kind einsam gefühlt. Deshalb würde ich sagen, dass mich verschiedene Einsamkeitszustände begleitet haben, seit ich denken kann. Diese Zustände waren, in unterschiedlich starker Ausprägung, wohl immer vorhanden. Sie haben sich mit dem älter werden verändert.

Im Englischen gibt es den Begriff loneliness, er wird gleich gesetzt mit

  • Alleinsein
  • Einsamkeit
  • Abgeschiedenheit
  • Verlassenheit

Einsamkeit wird übersetzt mit loneliness, reclusion (Rückzug), solitude, Hang zu Einsamkeit
Loneliness birgt wohl die Tendenz zu Einsamkeit. Ich habe das auch bei mir selbst festgestellt. Bedingt es sich gegenseitig? Ist man einsam, weil...oder wird man einsam, weil...
Oder anders gesagt, hat man je die Wahl es nicht zu sein???

Seit ich darüber nachdenke, sehe ich einen Zusammenhang zwischen der Fähigkeit Kontakt zur Umwelt herzustellen oder auch nicht.

Wenn aber diese Fähigkeit nicht oder wenig entwickelt ist oder mit Angst verbunden, öffnet man der Einsamkeit Tor und Tür...

Setzen wir also also keinen Kontakt haben mit einsam sein gleich? Da könnte etwas dran sein, zieht aber viele Fragen nach sich. Was war zuerst da, die Henne oder das Ei, also wenig Selbstvertrauen verunmöglicht eventuell Kontakt und resultiert in Einsamkeit?

Vielleicht bin ich auch NUR ein Misanthrop, bin den Menschen nicht unbedingt zugeneigt, d.h. ich tue mich schwer mit ihnen, meistens. Ob das ein Erbteil ist – einer meiner Brüder tut sich sehr schwer mit sich und mit den Menschen (auf andere Art als ich) – kommt es von unserem Vater?
Spekulationen, die nicht unbedingt weiter helfen.

Außerdem sehe ich eine Verbindung zwischen einerseits künstlerischer Begabung und Einsamkeit d.h. Alleinsein, das ja auch in gewisser Weise notwendig ist um kreativ, d.h. gestaltend und schöpferisch sein zu können. Andererseits ist da die Verbindung zum Älterwerden. Allein - leben und älter - werden bedingt das Einsamkeit? Es wird oft verknüpft, wenn auch nicht notwendigerweise daraus resultierend.

Eine depressive Veranlagung, wie ich sie habe, begünstigt wohl auch dieses Thema. Obwohl ich gestehen muss, dass ich mich generell schon viel ‚menschlicher’ fühle, d.h. einzelnen Menschen in meinem gegenwärtigen Leben (mit 73Jahren) zugeneigter fühle als in früheren Lebensabschnitten. Getraut habe ich meiner eigenen Zuneigung nie.

Natürlich gab es früher mehr berufliche Aktivitäten, Engagements, Unterrichten und dadurch bedingtes Reisen zwischen den Kontinenten und anderen Orten.

So weit erste Gedanken zum Thema Einsamkeit.

Später am Abend, 18.6.21

Gerade fällt mir der Begriff ‚schneidende Einsamkeit’ ein.
So habe ich ein Gefühl benannt, das mich manchmal überfallen hat – buchstäblich wie bei einem Anfall - wenn es mir besonders schlecht ging, im Sinne von: ich fühlte mich sehr sehr EINSAM.
Ich glaube nicht, dass ich es jemandem hätte erklären können als es passierte. Ich habe es in dem Moment wahrgenommen, als es aufgetreten ist.

Schneidend? Könnte das heißen ‚abgeschnitten’? Also wie ABGESCHNITTEN von den Menschen, von den eigenen Gefühlen, von dem eigenen ICH, der Selbstwahrnehmung, dem Selbstbewusstsein?
Alles das habe ich schon erlebt.

Das fällt mir gerade jetzt dazu ein und scheint mir Sinn zu machen.
TESSA, 19.6.21

NDR Podcast

NDR Podcast „Jung und einsam“

 

 

Bei Einsamkeit schießen uns Bilder durch den Kopf: Alte Menschen allein auf der Couch, vor ihnen ein flimmernder Fernseher. Einsame alte Menschen gibt es. Neuere Studien zeigen allerdings: Junge Menschen sind mindestens genauso von Einsamkeit betroffen wie ältere - wenn nicht sogar stärker. In einer weltweit durchgeführten, groß angelegten Studie sagten 40 Prozent der 16- bis 24-Jährigen, dass sie sich „oft“ oder „sehr oft“ einsam fühlten. Bei den Menschen über 75 Jahren waren dies 27 Prozent.
Experten sprechen deshalb von einer „neuen Einsamkeit“ bei der jungen Generation.

Einsamkeit ist nicht nur ein individuelles Problem, sondern auch ein gesellschaftliches Phänomen unserer Zeit - unserer digital vernetzten, flexibilisierten und ökonomisierten Welt. 24/7 über soziale Netzwerke erreichbar, 24/7 im Stand-By-Modus - im Suchen, im Finden und gefunden werden. Was kurzfristig Spaß macht, kann langfristig krank machen. Denn wer alles haben kann, hat manchmal nichts. Oft gefangen in einem Teufelskreis - in Zeiten der Corona-Pandemie besonders.

Kathi und Jana haben als junge Frauen die psychisch krankmachenden Phasen eines tiefsitzenden Einsamkeitsgefühls erlebt und durchlebt - Jana schon in ihrer Schulzeit. Mit 17 Jahren gründete Jana eine eigene Selbsthilfegruppe „Ich bin nicht alleine“!

Textquelle: Google Podcasts

Video2

NDR Beitrag „Einsamkeit bei jungen Menschen“

Einsamkeit bei jungen Menschen

Immer mehr junge Menschen fühlen sich einsam. Experten sprechen bei Einsamkeit inzwischen von einer Epidemie. Das Kulturjournal widmet sich dem Thema in einem 15-minütigen Film. Wir empfehlen diesen Film besonders, weil er auch Auswege aus der Einsamkeit zeigt.

Soledad

Die Flügel des Soledads

Jesko Habert - Die Flügel des Soledads

Es war eines der Highlights des 1. Einsamkeitsgipfels in Berlin am 16.12.2019. Jesko Habert, erfolgreicher Poetry Slammer, zog die Anwesenden mit seinem Gedicht "Die Flügel des Soledads" in seinen Bann. Wir freuen uns einen Auszug daraus hier platzieren zu dürfen.

Es ist ein kalter Dezemberabend, zurück in Berlin, fast schon Gegenwart.
Ein Tag, der manchen Menschen heilig ist oder ihren Segen hat
Wegen Familie. Wegen Heimatgefühl. Wegen Gemeinsamkeit.

Wir reden über Geschenke und den Nachwuchs und alle gehen in die Kirche, Heilignacht
Weil man das so macht
Und es ihnen wichtig ist. Wegen Gemeinschaft.
Wen kann das schon stören.
Ich bleib Zuhause ganz für mich, doch nur ein Blick und ich könnt‘ schwören
Dass dort ein schwarzer Rabe sitzt, auf dem Teppichboden.
Eine scheckig-schäbige Erinnerung aus Anekdoten-Episoden
Und irgendwie hab ich dich vermisst. Und irgendwie auch nicht.
Denn hat der Rabe Soledad sich eben eingenistet
Bleibt er bis auf weiteres in deinem Leben unbefristet
Und im Kontakt mit ander’n Menschen schreckt der trübe Rabe ab
Weil jeder sieht, dass man da sichtbar eine üble Narbe hat

Es wäre einfach, über die Einsamkeit anderer Menschen zu sprechen:
Sich den Kopf nur zu zerbrechen über Klischeebilder dieser Anderen,
Dieser Einsamen, die armen Seelen, für die wir doch jetzt gemeinsam etwas tun sollten
Es ist viel schwerer, über sich selbst zu reden.

Denn ich, ich bin einsam, inmitten meiner eigenen Verwandten
Und das, obwohl sie mich mein Leben lang doch meistens gut verstanden
Aber irgendwie ist da dieses unausgesprochene Unverständnis.
Ich fühle mich einfach nicht, als wüssten sie, wer ich bin.
„Oma, bist du manchmal einsam?“, hab ich meine Oma mal gefragt
Und sie zuckte die Schultern, wie um zu sagen „natürlich, was denkst du denn.
Denn seit dein Opa fort ist fühl ich mich so jeden Tag“
sagt sie, setzt sich auf ihren Schaukelstuhl und versinkt wieder in sich selbst.
Wenn ich einsam bin, kehrt meine Depression zurück
Wär sie ein Schauspiel, dann auf jeden Fall ein Solo-Stück
Nur ohne den Applaus des Publikums. Und ohne Verkleidungen.

Und so, als hätte man den auswendig gelernten Text vergessen.
Stattdessen mit appetitlosem Essen und unfertigen Prozessen
Wenn ich einsam bin, spielt es keine Rolle, wie viele Kontakte ich hab
Denn ich ruf die nicht von selber an!
Dann schlaf ich schlecht, fühl mich gestresst
Die leichteste Erkältung setzt mich schnell außer Gefecht
Und das, obwohl ich weiß, dass meine nächsten Freunde nur zwei Straßen entfernt wohnen

Soledad ist überall. Und er kann jeden treffen, unbedingt.
Es ist die Mutter, die den Tag nur mit ihrem Baby verbringt
Es ist der Erstsemester-Studi, dem der Anschluss nicht gelingt
Es ist die Frau, die sich im Job immer zu voller Leistung zwingt
Es ist der Mann, der mit der Arbeitslosigkeit im Alltag ringt
Es ist meine Oma, der der Partner fehlt,-altersbedingt
Es ist der Jugendliche der uns droht dass er sich selbst umbringt
Und es bin ich, dem es misslingt,
….Das einfach mal zuzugeben.
Wir sind nicht alleine damit, einsam zu sein.